Die fränkische Kirchweih zeichnet sich durch eine enorme Vielfalt ihrer Formen aus, das betrifft auch die Texte und Melodien der gesungenen Vierzeiler. Etliche Kärwalieder-Bücher wurden in den letzten Jahrzehnten veröffentlicht – einige sind auch schon wieder vergriffen – mit einer Fülle von Versen. Zumeist sind dabei auch die Melodien verzeichnet.1 Auch im Internet finden sich Seiten, die Texte sammeln, in der Regel jedoch ohne Melodien.2
Nachspielen der Melodien
Nun ist es in Nürnberg und drumrum üblich, dass die “Kärwaboum” bei verschiedenen Gelegenheiten die Lieder ohne Begleitung vorsingen und die Kapelle die selbe Melodie nachspielt, so wie im Video-Mitschnitt vom Großreuther Betzentanz zu sehen. Übrigens spielen die meisten Musikgruppen in klingend Es-Dur, was wohl dem Einsatz von Blasbesetzungen mit B-Instrumenten geschuldet ist.
Hin und wieder habe ich aber bei Kirchweihen erlebt, dass die Musikanten nicht mit der richtigen – also der eben gesungenen – Melodie folgen, sondern mit irgendeiner beliebigen. Auf Nachfrage hat sich herausgestellt, dass den Musikanten, die nur zur eigenen Kirchweih diese Aufgabe übernahmen und nicht auswendig spielen konnten, schlicht die Noten für ein oder zwei Melodien fehlten. Diesem Umstand will ich mit einer kleinen Ausgabe nun Abhilfe schaffen.
Kleine Notenausgabe
Zwanzig verschiedene Melodien konnten 1984 bei einer Untersuchung im Nürnberger Stadtteil Almoshof verzeichnet werden.3 Nicht ganz so viele, sondern nur einige, von denen ich meinte, dass sie in Nürnberg und Umgegend am häufigsten gesungen werden, habe ich nun zusammengestellt und für Akkordeon gesetzt. Davon sind zwei Schottisch-Melodien, vier Walzer-Melodien, eine Rheinländer-Melodie, fünf Dreher-Melodien und eine Zwiefachen-Melodie. Für Besetzungen mit B- und Es-Instrumenten sind Zusatzstimmen auf Extra-Blättern erhältlich.
Da es lediglich um eine Hilfestellung für die nicht auswendig spielenden Musikanten ging, habe ich auf Texte im Prinzip verzichtet. Lediglich zur Erleichterung einer schnellen Zuordnung habe ich jeder Melodie eine typische Textstrophe beigesellt, die als Identifikations-Merkmal dienen kann.
Die Ausgabe steht sowohl in Heftform, als auch zum Download zur Verfügung.
- Zum Beispiel Drechsler, Gustl (1978): Kärwa-Liedla. Nürnberg: Albert Hofmann; Steinmetz, Horst; Krottenmüller, Hermann (1987): Di Kirwa is kumma. Vierzeiler aus dem südlichen Mittelfranken. Simmershofen (Veröffentlichungsreihe der Forschungsstelle für fränkische Volksmusik, 41) – mit 24 Melodien und fast 400 Texten; Griebel, Armin; Christ, Heidi (2002): Heut is Kerwa – heut is Leb’n. Kirchweihvierzeiler aus der Hellmitzheimer Bucht. 3. Auflage 2004. Uffenheim (Veröffentlichungsreihe der Forschungsstelle für fränkische Volksmusik, 55) mit 15 Melodien und 767 Vierzeilern; Christ, Heidi (2005): Kirbaliadli rund um den Hesselberg. Begleitband zu: Heidi Christ: Kirchweih in der Region Hesselberg. Uffenheim (Veröffentlichungsreihe der Forschungsstelle für fränkische Volksmusik, 58a // 4[a]) mit 12 Melodien und mehr als 80 Texten; Welker, Manfred (2007): Kirchweihlieder und Kirchweihbräuche in Herzogenaurach, Großenseebach, Haundorf, Niederndorf sowie Ober- und Untermembach. Scheinfeld: Druck + Papier Meyer (Schriften zur Heimatpflege im Landkreis Erlangen-Höchstadt, 3) und etliche weitere [↩]
- Zum Beispiel https://www.kaerwalieder.de/ oder https://www.kirwa.net/gstanzln.php [↩]
- Zachmeier, Stefanie; Fischer, Karlheinz (1991): Brauchgebundenes Singen aufgezeigt am Beispiel der Almoshofer Kerwa. In: Bayerischer Landesverein für Heimatpflege (Hg.): Singen in Bayern. Alte und neue Singformen “überlieferter Lieder”. Volksmusik. Forschung und Pflege in Bayern. Zehntes Seminar. Babenhausen, 1989. München, S. 65–79 [↩]
19. Januar 2020 um 22:01
Sehr geehrte Frau Zachmeier
mein Vater (90) hat sehr zum Ärger meiner Mutter (beide mittlerweile verstorben) manchmal einen Nürnberger Gassenhauer gesungen, der etwa so ging:
“Am Sundoch umma dreia, do geht Familie Meier mit ihrem ganzen Haus zum Dutzendteich hinaus…
Refrain: Moo hau hi…“
Können sie mir weiterhelfen wo ich Liedtext und Quellen ggf Sänger/in finden kann.
Anlässlich der Todestage kamen einige Erinnerungen an meine Kindertage in Nürnberg.
Beste Grüße aus Oberbayern
Martin Egger
Bernried
21. Januar 2020 um 20:54
Hallo Herr Egger,
das kann ich verstehen, dass Ihre Mutter da verärgert war, es ist ein wirklich gruseliges Lied, hoffentlich singt es niemand mehr! Ich finde, das kann ruhig vergessen werden. Aber ich weiß, wie das ist, wenn einen solche Zeilen plagen und man nicht weiter kommt, deshalb hier trotzdem der Text:
Wie so oft, gibt es verschiedene Versionen, wie ja meist bei Liedern, die “im Volk” gesungen werden.
> Am Sunndoch ummer dreier, dou gäiht Familie Meier, mit ihrem ganzen Haus zum Dutzendteich hinaus.
> Und ihre 7 Kinder, däi laafn vua und hindä, dä Fritzla fläichd in Dreeg, Frau Meier schreit vuä Schreek:
> Sixsdäs dou, des hast vo deine Bangätn.
> Sixsdäs dou, dou gräigst doch glei die Krangätn.
> Mo hau hie, däschloch doch glei a boä
> und wennst nou nei ins Zuchthaus kummst, nou gräigst ja blous ä Joahr.
> und wennst nou nei ins Zuchthaus kummst, nou gräigst ja blous ä Joahr.
>
> Mob mob mob, was kommt denn da gefahren,
> mob mob mob das ist der Zuchthauswagen,
> mob mob mob wer sitzt denn da darin,
> dä Meier und die Meieri mit ihrm däschlognä Kind,
> dä Meier und die Meieri mit ihrm däschlognä Kind.
Viele Grüße
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