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musikalische Traditionen

Wo is denn es Gerchla – Zum Mitsingen

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Weil heute – am 1. April 2020 – die Veranstaltung “Fränkisch Tanzen” in der Kulturwerkstatt Muggenhof auf AEG wegen der Corona-Krise ausfallen muss, dachte ich, wir könnten wenigstens zusammen singen. So habe ich ein Video aufgenommen – für mich eine neue Erfahrung (und es ist beileibe nicht perfekt geworden).

Ich habe den Text im Video öfters vorgesprochen, so dass letztlich dann alle mitsingen können müssten – auch ohne Liedblatt oder Untertitel. Im richtigen Leben, z.B. auf der Kärwa oder gar beim Tanzen, stehen die ja auch nicht zur Verfügung. Ein “klassisches” Kärwaliedla, also ein Vierzeiler ist das Gerchlas-Lied allerdings nicht.

Das Gerchla als Liedblatt

Liedblatt Wo is denn es Gerchla - Kurzversion

Falls manche Wörter nicht richtig verstanden wurden, möchte ich hier auch ein Liedblatt der im Video gesungenen Version anbieten, obwohl ich ansich Fan vom Auswendig-Singen bin. Manchmal muss man einfach was Nachschauen können.

Per Rechtsklick sollte es in ein eigenes Browser-Fenster verschoben, bzw. auf die Festplatte abgespeichert werden können.

Das Gerchla und die Bärbel

Ich bin ja der Meinung, dass die überlieferten Lieder nicht um ihrer selbst willen “gepflegt” werden müssen. Tradierte Volkslieder zu singen, macht für mich nur Sinn, wenn sie meiner Lebenswirklichkeit entsprechen. Um das überkommene Bild vom zuhause aufs Gerchla wartenden “Bärbala” nicht mitsamt dem Lied zu konservieren, habe ich deshalb zusammen mit meiner Kollegin Katja Lachmann schon vor vielen Jahren zwei Bärbalas-Strophen dazugemacht. Das Bärbala wird dabei von der passiven Person zum handelnden Individuum. Eine von den Strophen verwende ich auch im Video, sie ist auf dem Liedblatt nachzulesen. Die andere lautet so:

Wo is denn des Bärbala? – Is net do, do hast heut Pech.
Die is af der Kärwa, frisst dem Gerch die Bratwürscht wech.
Wart ner, wart ner, wart ner….

Der Gerchlas-Tanz

Zur Melodie vom Gerchlas-Lied existieren in Franken zwei verschiedene Tanzformen. Eine davon ist eine Neuentwicklung aus den 1950er Jahren1 Bei der zweiten handelt es sich um eine Zufalls-Walzer-Form aus Ruhpolding im Chiemgau: den “Sautanz”.2 Dabei wird auf den ersten Melodieteil zuerst paarweise im großen Kreis marschiert. Zur Wiederholung der Melodie bleiben die Männer stehen und klatschen einander zwei-und-zwei in die Hände. Die Frauen gehen derweil entgegen der Tanzrichtung um den stehenden Männerkreis herum. Ein zweiter Teil bringt einen Walzer mit denjenigen Partner*innen, die zufällig beieinander zu stehen kommen. Diesen Tanz hatten die Loonharder Musikanten von einem Besuch bei einem Tanzabend des legendären Tanzmeisters Georg von Kaufmann mitgebracht und in Franken verbreitet mit der Begründung:

“weil wir der festen Überzeugung waren, daß die Oberbayern diese Melodie von uns Franken geklaut hatten: das war doch eindeutig unser ‘Wo is denn as Gerchla'”3

Das eigentliche Lied vom Gerchla

In der beschriebenen Marschwalzer-Version kommt allerdings nur der “Gerchlas”-Teil des Liedes vor – im ersten Teil des Tanzes. Der zweite “Wart ner, wart ner”-Teil wird heute von manchen Tanzkapellen im Dreiviertel-Takt als Walzer nachgespielt, im ursprünglichen Sautanz wird ein beliebiger anderer Ländler oder Walzer verwendet. Das eigentliche Lied “Wo is denn des Gerchla” hingegen hat auch noch einen dritten Teil. Im Video habe ich ihn weggelassen. Ein Liedblatt von der dreiteiligen Version, so wie ihn beispielsweise die Effeltricher Sänger sangen, findet ihr hier zum Download.

Händewasch-Poster

Und zuguterletzt gibts hier noch das nützliche Händewasch-Poster, das ich mit Hilfe von https://washyourlyrics.com hergestellt habe. Ich hab nämlich festgestellt, dass das Durchsingen vom Lied vom Gerchla ohne Wiederholungen genau 30 Sekunden dauert. Und das ist just die empfohlene Wasch-Zeit, um Bakterien und Viren erfolgreich wegzuspülen. Wenn euch also auf einer öffentlichen Toilette demnächst das “Gerchla” entgegenschallt, bitte nicht wundern.

Händewasch-Poster

  1. o.V.: Fränkische Tänze, Würzburg: Frankenbund 1957, 28-30 []
  2. Kaufmann, Georg von: Chiemgauer Tänze (= Lied, Musik und Tanz in Bayern 1), Landsberg/Lech: Heinrich Hohler 1966, 23 (Textteil) bzw. 15 (Notenteil) []
  3. Zachmeier, Erwin: „Plaudereien eines Wirtshausmusikanten“, in: Zachmaier (sic!), Erwin, Ernst Schusser und Margit Schusser (Hrsg.): Kurt Becher zum 70. Geburtstag: Beiträge zur Volksmusik und -pflege in Bayern, Stein bei Nürnberg; Bruckmühl 1984, 327–340, hier 329 []

Autor: Steffi Zachmeier

Die Nürnbergerin Steffi Zachmeier ist mit den fränkischen Melodien aufgewachsen und seit ihrer Kindheit auf Bühnen zu finden. Mit ihren verschiedenen Musikgruppen setzt sie auf einen unkomplizierten und dennoch stilsicheren Umgang mit fränkischen Traditionen. Die Mitherausgeberin von Notenmaterial und Liederbüchern war über 30 Jahre in den Volksmusiksendungen des Bayerischen Rundfunks als Moderatorin zu hören, mit ihren Texten in Nürnberger Mundart bekommt manche Veranstaltung eine eigene Würze. Von der Bayerischen Musikakademie in Hammelburg wurde Steffi Zachmeier beim Fränkischen Liedermacher-Wettbewerb ausgezeichnet, vom Frankenbund im Jahr 2009 mit dem jährlich vergebenen Kulturpreis und 2016 mit dem Frankenwürfel der drei fränkischen Bezirke.

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