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musikalische Traditionen

Golly und sein Bluesgeziefer

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Nein, Golly ist keine Phantasiegestalt aus einem Kinderbuch, Golly ist Musiker und heißt eigentlich Roland Hertlein. In den Nordbayerischen Nachrichten hatte ich von seiner CD “Bluesgeziefer” mit fränkischen Songs gelesen. Sofort haben bei mir ein paar Lichtlein geblinkt, denn für mein Radio Fränkisch Spoken bin ich ja immer auf der Suche nach weiteren Musiktiteln.

Zwei Tage später war Golly im Marthacafé zur CD-Vorstellung, eine Gelegenheit mal wieder ein Konzert live zu erleben, die ich gleich ergriffen habe.

Und so wie er auch die CD produziert hat – nämlich corona-gerecht ganz allein mit den Audiofiles, die ihm die Kollegen geschickt hatten – so stand er auch hier vor dem Publikum.

Künstlerisches Multitalent

Golly ist Nürnberger, lebt jedoch schon seit 1981 im Oberpfälzischen Oberweiling, wo er ein Aufnahme-Studio und zusammen mit seiner Frau das Kleinkunstlokal Kneipenbühne führt. Neben dem Komponieren, Musizieren und Produzieren schreibt Golly auch noch literarische Texte, die er im eigenen Verlag herausgibt.

Leichte Stoffe sind seine Sache aber wohl eher nicht: Dystopisch mutet die Beschreibung des Romans Reïnklonation an und die Novelle Brandnarb handelt von einem obdachlosen Verbrennungsopfer. Letztere Geschichte hat Golly auch als Song (brandnarb) verarbeitet. Neben weiteren tragischen Liedtexten über einen Selbstmörder (ich schdäi auf der brüggn), einen weiteren Obdachlosen (blindgänger) und einen alkoholabhängigen Brandstifter (gäih werf dein schnabbs…) gibt es aber auch tröstliche Zeilen:

.. und manchmol erlebst wos, des lässd di nimmer los – des wärd in der erinnerung ned glänner, des bleibd groß ..

Aus dem Song “es war amal”

Und dann finden sich im Programm noch eher skurrile Titel: da gehts um eine Suppe mit “blasdigwrfl hulzwrfl elfnbeinwrfl” (wrfl) – zum Verständnis bitte laut aussprechen! Ja, sogar der bekannte Vierzeiler über die 100.000 Heringsbüchsen, die über den Burgberg herunterrollern, gehört zum Repertoire von Golly.

CD-Cover Bluesgeziefer von Golly

Das Bluesgeziefer, die Remote-Mitwirkenden, haben ganze Arbeit geleistet dabei, diesen authentisch getexteten Songs ein würdiges musikalisches Fundament zu legen. Dabei waren Naidvartai Zett am Schlagzeug, Miller the Killer am Piano, Ralf Trautner an der Gitarre, Udo Schwendler mit der Trompete, Peter Schöberl an der Gitarre, Wolfgang “Wuffi” Kamm mit einem Didgeridoo und natürlich Golly selbst mit verschiedenen Instrumenten. Außerdem haben sich Henning Frank, Tochter Heike Kindl und Enkel Maxi auf der CD verewigt.

Fragen an Golly

Ein paar Fragen hatte ich natürlich nach dem Konzert noch an Golly. Hier hört ihr unser Gespräch:

Für diejenigen, die lieber lesen als hören, hier der Wortlaut des Interviews:

  • Steffi: Bei einem Konzert in Nürnberg hab ich kürzlich Roland Hertlein alias Golly getroffen, grad is seine CD “Bluesgeziefer” erschienen. Ich hab ihn gfragt, wie’s kommt, dass er nach vielen vielen Jahren nun Songs auf Fränkisch macht?
  • Golly: Ich hab mein Dachboden aufgräumt und da simmer so verschiedene Sachen unter die Finger kumma, die ich vor langer Zeit gschrieben hab – Fragmente meistens. Und des eine war wirklich “heid fräih bin i aafgwachd aganz alaans” – recht viel mehr war net. Und da hab ich ebn dann halt ne Gschichte drumherum gschriebn. Und dann hab i einfach Spaß an der Freud kriegt und gsagt “Da kann i doch no mehr machen, des langt doch net”. Und jetzt sind des 14 Stücke gwordn.
  • Steffi: Jetzt lebst du ja schon lang in Oberweiling bei Neumarkt in der Oberpfalz, trotzdem textest du fränkisch.
  • Golly: Naja, ich kann scho aa Oberpfälzisch sprechen. Aber des is net Heimat!
  • Steffi: Unter den bekannten Corona-Bedingungen habn dir die Musiker-Kollegen nur Musikfiles zugschickt, aus denen du dann die CD gebastelt hast. Deine Auftritte sind momentan auch solistisch mit zugespielten Audios. Wie fühlt sichn des an für dich?
  • Golly: Ganz komisch! Also, des is so, wennst alleins auf der Bühne stehst, dann fokussiert sich alles auf dich, auf dich als Person. Wenn du ne Band um dich rum hast, dann schaun die amol dohin, mol dohin, mol dohin, dann isses net so stressig. Und des andere is: Wenn du zu ner Konserve singst, die is ja gnadenlos. Also lebendige Musiker, die sagn, “hobberla, etz hat er sich vertan. Dann tu mer halt noch amol a Strophe mit neisetzen, dass er a Chance hat.” Des is halt da net so. Des fühlt sich also net bsonders gut an für mich.
  • Steffi: Wirds also demnächst Gigs mit der ganzen Band gebn?
  • Golly: Da muss ich umanander fragn, ich glaub schon. Schlimm is halt, dass dieser wunderbare Gitarrist, der Peter Schöberl, verstorben is. Mit dem hab ich zum Beispiel, des war 1969, die erste Platte aufgnommen. Da war ich 17 und er 19.
  • Steffi: Wie kommt des Konzept mit Mundart-Texten bei deim Publikum an?
  • Golly: Letzte Woche in Oberweiling, also bei mir daheim, Heimspiel, da waren die Leut total ausm Häuschen. Und heut glaub ich, wars auch net schlecht. Ich glaub, es hat schon jedem gfalln.

Autor: Steffi Zachmeier

Die Nürnbergerin Steffi Zachmeier ist mit den fränkischen Melodien aufgewachsen und seit ihrer Kindheit auf Bühnen zu finden. Mit ihren verschiedenen Musikgruppen setzt sie auf einen unkomplizierten und dennoch stilsicheren Umgang mit fränkischen Traditionen. Die Mitherausgeberin von Notenmaterial und Liederbüchern war über 30 Jahre in den Volksmusiksendungen des Bayerischen Rundfunks als Moderatorin zu hören, mit ihren Texten in Nürnberger Mundart bekommt manche Veranstaltung eine eigene Würze. Von der Bayerischen Musikakademie in Hammelburg wurde Steffi Zachmeier beim Fränkischen Liedermacher-Wettbewerb ausgezeichnet, vom Frankenbund im Jahr 2009 mit dem jährlich vergebenen Kulturpreis und 2016 mit dem Frankenwürfel der drei fränkischen Bezirke.

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