Da hats mich gerissen, als wir während des Teneriffa-Urlaubs an einem Platz vorbeifuhren, auf dem zwei überlebensgroße Musikerfiguren standen. Die Straße führte durch den Ort El Palmar, der zu Buenavista del Norte gehört. Neben den Musikern gab es noch zwei weitere Herren und eine recht merkwürdige Figur. Natürlich haben wir gleich angehalten und die Kerle näher besichtigt.
Die Instrumente
Es handelte sich um Bronzefiguren und bei näherem Besehen stellte sich heraus, dass die Musiker mit Pfeife und Trommel ausgestattet waren. Dass die Kombination Pfeifer & Trommler auch auf den Kanaren üblich ist, war mir nicht bewusst. Eher dachte ich, dass hier traditionell Saiteninstrumente gespielt werden, wie die kanarische Timple, die der Ukulele ähnlich ist.
Aus Europa kenne ich die Instrumenten-Zusammenstellung hingegen gut, auch der gute Albrecht Dürer hat dieses Thema schon verewigt.
Und sonst?
Zu den weiteren Figuren auf dem Platz fiel mir erstmal gar nichts Rechtes ein, außer dass es sich bei den beiden Hutträgern wohl um Tanzende handeln musste. Eine rätselhafte Figuren-Aufstellung!
Auf dem Platz in El Palmar fand sich dann jedoch ein Schild in der Nähe der Figuren, auf dem zu lesen ist:
“Este escultura se alza en homenaje a Las Libreas, tipico Baile del Valle de El Palmar, que simboliza la lucha entre “el bien”, representado por los bailadores, y “el mal”, encarnado por la figura del diablo. Este baile ha sobrevivido gracias al esfuerzo de los vecinos de este valle, personas amantes de la cultura y los tradiciones más ancestrales, y que han luchado por la existencia y pervivencia de esta danza.”
Es handelt sich demnach um einen Tanz, der den Kampf zwischen “dem Guten” (den Tänzern) und “dem Bösen” (dem Teufel) darstellt. Aha!, dann stellt diese merkwürdige Figur also den Teufel dar.
Leider war keine Menschenseele zu sehen, die ich nach dem Tanz hätte befragen können. Es ist allerdings auch fraglich, ob ich die Erklärungen auf Spanisch verstanden hätte. Das Internet hat aber dann einiges dazu hergegeben:
Der Anlass
Alljährlich im September oder Oktober – da sind sich die Quellen nicht ganz einig – wird “el Baile de las Libreas” aufgeführt. “Baile” heißt Tanz, das war mir klar, und “Librea” bedeutet offenbar in diesem Zusammenhang soviel wie “weltlicher Umzug”, ursprünglich war dieser in El Palmar noch mit christlichen Bräuchen verbunden.1
Es tanzen drei Tanzpaare in bunten Kostümen, wobei sowohl die männliche als auch die weibliche Rolle von Männern dargestellt wird. Dazu ein Teufel und eine Teufelin. Die Musik dazu kommt von zwei Flötisten und zwei Trommlern. In Wirklichkeit werden offenbar Querflöten verwendet anstatt des senkrecht geblasenen Instruments, wie es bei der Figur auf dem Platz zu sehen ist.
Die Tanzform
Unser Tanz steht offenbar mit dem “Tajaraste”, dem mutmaßlich einzigen überlieferten Tanz der Guanchen, also der Ureinwohner Teneriffas, in Zusammenhang, meint Estanislao González y González.2
Ein anderer Autor, Felipe Rodríguez Cejas, bringt die Schritte mit einer weiteren alten Tanzform in Verbindung:
“El tango herreño” oder “baile corrido” ist heute praktisch in Vergessenheit geraten. Die Ältesten erzählen, dass dieser Tanz in El Palmar großen Anklang fand. Wir wissen, dass man in gegenüberstehenden Reihen tanzte, wobei man Sprünge von einer Seite auf die andere machte und sich dabei jeden dritten Takt einmal ganz umdrehte.”3
In den Filmen, die ich vom Tanz in El Palmar auf Youtube gefunden habe, kommt zu den Sprüngen mit der Drehung eine Wendung zueinander: Von den drei Paaren drehen sich die Tänzer des inneren Paares abwechselnd den Tänzern der äußeren Paare zu. Und so sieht das dann aus:
Wenn die drei Tanzpaare fürs erste fertig sind, kommt Teufel bzw. Teufelin zum Einsatz, sie tanzen im selben Schritt über den Platz. Allerdings haben sie auf dem Rücken Feuerwerkskörper montiert, die während des Tanzes sprotzeln und Funken sprühen.
Auf den Kanaren gibts noch mehr Feste, wo Teufel eine Rolle spielen, z.B. in San Cristobál de La Laguna die “Bajada del Diablo“. Auch im – zugegeben, literarisch nicht unbedingt preisverdächtigen – Buch “Der Vulkanteufel” von Harald Braem, das auf Gran Canaria handelt, findet das grandiose Finale bei so einem Fest statt.
Die Melodie
Aus dem Youtube-Film habe ich die Melodie transkribiert: Sie ist sehr einfach, um nicht zu sagen eintönig, was aber eine durchaus hypnotische Wirkung hat, finde ich. Die Haken markieren die Trommelschläge.
Oh, wie gern wär ich mal zu diesem Fest in Teneriffa und würde den Tanz und die Feierlichkeiten live miterleben. September/Oktober klappt das aber bei mir eher nicht.
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- o.A. Las Libreas del Palmar [↩]
- Estanislao González y González. Algunas consideraciones sobre las libreas y fuegos de artificio en nuestras fiestas populares. [↩]
- Felipe Rodríguez Cejas. Notas sobre el folclore del Macizo de Teno. (Übersetzung Steffi Zachmeier) [↩]