Es ist immer wieder spannend, mit welchem Hintergrund Anfragen bei mir landen. Im aktuellen Fall geht es um eine Frage zur oberfränkischen Regionalgeschichte: Im Zusammenhang mit seinen Forschungen ist Klaus Knothe auf ein Lied gestoßen, in dem das Thema Eingliederung von Flüchtlingen und Exulanten aufgegriffen wird. Sein Gewährsmann Klaus Dornig aus Helmbrechts hat ihm jedoch nur ein Text-Fragment nennen können:
“Des Kunela, des Kunela, des is a Flichtlingsmadla.
Des Kunela, des Kunela, des werd amol mei Fraa.”
Es sei “um 1950 in Wirtshäusern in Dörfern in der Nähe von Helmbrechts (u.a. Enchenreuth) gesungen” worden, hat Klaus Knothe herausgefunden und bittet mich um Ergänzung oder weitere Hinweise zu Text und Melodie. Er schreibt weiter:
“Wieso mich das Lied interessiert? Ich weiß, dass ein Weißdorfer Handwerker nach 1945 ein “Flichtlingsmaadla” geheiratet hat, das aus der Slowakei kam. Ich weiß ferner, dass es solche Heiraten (insbesondere von Bauernjungen mit den Töchtern von Exulanten (aus Böhmen) nach dem Dreißigjährigen Krieg in den Dörfern um Münchberg gegeben hat (Kirchenbucheinträge).”1
Dass es solche Liebschaften und auch Ehen gegeben hat, erscheint mir ganz logisch. Dass es Lieder dazu gibt, war mir neu.
Nun ist mir bei den Textzeilen gleich ein Lied eingefallen, das ich aus einer Archivaufnahme des BR-Studios Franken aus dem Jahr 1975 kenne. Gesungen wird es von den Waischenfelder Burgmadla. Allerdings heißt da die entsprechende Zeile:
“Mei Kunnela, mei Kunnela, des is a kräißn Madla…”
Ich gestehe, dass ich mir unter einem “kräißn Madla” überhaupt nichts vorstellen konnte.
Die Erklärung fand sich nun beim Blättern durch die oberfränkischen Liederbücher in meinem Regal. Und zwar in dem – übrigens wunderbar illustrierten – Büchlein “Die Allerschönsten… Lieder aus der Fränkischen Schweiz“,2 herausgegeben von Eberhard Hofmann, dem jahrelangen Volksmusikbeauftragten beim Fränkische-Schweiz-Verein. Er hatte dafür die Singgruppen dieser Gegend um einige bevorzugte Lieder gebeten. Die Waischenfelder Burgmadla lieferten u.a. den Titel vom Kunnela.
“Kreißtn Madla = begehrtes Mädchen” steht da, und dass das Lied “aufgezeichnet [sei] nach der Überlieferung aus dem Frankenwald und gesetzt von Manfred Friedrich, Waischenfeld”. Damit stehen wir bezüglich der Quelle wieder am Anfang der Suche. Allerdings haben wir nun zumindest Text und Melodie der Waischenfelder Fassung:
Das Mädchen im Lied wird als dermaßen wunderbar und vor allem fleißig beschrieben, dass es m.E. durchaus denkbar ist, dass sich der Autor in Erklärungsnot befand. Womöglich wollte und musste er tatsächlich rechtfertigen, dass er kein einheimisches, sondern ein “Flüchtlingsmädchen” zur Frau genommen hat. In der Version aus Waischenfeld ist das allerdings nicht zu erkennen und so bleibt der Ursprung nach wie vor im Dunkeln.
Auch eine Nachfrage bei den Fans meiner Facebook-Seite3 brachte kaum weitere Informationen, es kam lediglich eine Antwort mit einem weiteren Hinweis auf den Frankenwald:
“mei Kunnela, des is a schöss Madla! – kenn ich von meiner Mutter aus Kronach, leider kann ich sie nicht mehr fragen”,4
Sollte jemand weitere Informationen oder Ergänzungen dazu haben, immer her damit!
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- E-Mail vom 20.07.2013 [↩]
- Eberhard Hofmann. Die Allerschönsten… Lieder aus der Fränkischen Schweiz (= Schriftenreihe II des Fränkische Schweiz-Vereins 22), Palm & Enke, Erlangen 2009, S. 132f. [↩]
- https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10151755774610560&set=a.398269485559.201892.389872540559&type=1&theater, gepostet am 22.07.2013 [↩]
- https://www.facebook.com/heinrich.filsner/posts/629784160374524?comment_tracking=%7B%22tn%22%3A%22O%22%7D, zuletzt aufgerufen am 24.07.2013 [↩]
19. November 2016 um 19:43
hier ist die Rosi Zita – da ich bei der Aufnahme sellmol dabei wor und selber 20 Jahr a Buichmadla wor kann ich Dir auch eine Erklärung für des “Greissn Maala” geben, die ist wie folgt: “Des Maala hod des “Gereiss” bedeutet: dass sich die Männerwelt um sie “reisst” – also so hat unser Freddy Friedrich das damals uns erklärt.
Ergo: “begehrt ” passt schon auch.
LG Rosie
12. Oktober 2018 um 17:30
könnte bei “kräißn” / “greissn” – Maadla die Stadt Creußen gemeint sein, also ein Maadla aus Creußen? Ich komme aus der Nürnberger-/Erlanger Ecke und habe das vor über 40 Jahren so von meinem Vater erklärt bekommen.
13. Oktober 2018 um 15:28
Schon spannend, was da für Möglichkeiten auftauchen, was den Ausdruck “kräissn Maala” betrifft. Nur zum Ursprung des Liedes hat anscheinend niemand mehr einen neuen Anhaltspunkt…