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musikalische Traditionen

Kuhglocken in bester Stimmung

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Das war mir neu: Beim Besuch im Hersbrucker Hirtenmuseum habe ich kürzlich erfahren, dass die Geläute von Kuhherden oder auch Ziegenherden nicht in zufälliger Kakophonie erklangen, sondern vom Hirten oder einem speziellen sog. Schellenrichter eine Stimmung erhielten.

Die Schellen der Herde wurden aufeinander abgestimmt, um in der Summe einen harmonischen Klang zu ergeben. Der Schellenrichter zog offenbar jährlich von Herde zu Herde, um seine Arbeit zu tun und die vom “Stoßen an Bäume und Brunnenränder” verstimmten Schellen nachzustimmen.1

Die Schellen werden gestimmt, indem ins Blech Dellen geschlagen werden oder Material abgefeilt wird.2 Das ist ziemlich viel Arbeit, denn – wie aus dem Harz berichtet wird – “ein komplettes Geläut bestand aus 36 Glocken, das für Kühe im F-Dur-Dreiklang, für Jungvieh, Schafe und Ziegen in C-Dur gestimmt war.”3

Über Thüringen wird berichtet: “Das ganze Geläut gibt einen Akkord, einen Dreiklang an, dessen Töne sich durch mehrere Oktaven wiederholen. Je größer die schellentragende Herde ist und je reiner die Glocken gestimmt sind, desto prächtiger klingt das Geläut, und der Hirt ist nicht wenig stolz darauf.”4 Von Gegend zu Gegend wurden die Schellen je nach Größe unterschiedlich bezeichnet und entsprechend gestimmt, genau aufgedröselt hat das der Autor R. für Thüringen in einem Artikel der populären Zeitschrift Gartenlaube von 1868 über Das Schellengeläute der Thüringer Heerden”.

Eine Glocke zwischen vier Schellen (Quelle: Pixabay)
Eine Glocke zwischen vier Schellen (Foto: Pixabay)

Instrumentenkundlich streng genommen heißen die geschmiedeten Instrumente Schellen, die gegossenen hingegen Glocken. Auch über sie wird bspw. aus der Schweiz berichtet: “Besonders für die Herbstweide stellen die Bauern die Kuhglocken sorgfältig zusammen. Eine Regel, wie sie zusammenklingen sollen, gibt es nicht,” nur “im Pays d’Enhaut (VD), aber auch im Kt. Bern strebt man die Tonleiterfolge an.”5 Von Sardinien heißt es ebenfalls, die Stimmung der dortigen Schellen namens Campanacci sei von Herde zu Herde anders6 und nicht nur dort können die Hirten angeblich die Tiere am Klang auseinanderhalten.

Die Kühe in Franken weiden heutzutage auf umzäunten Wiesen, sofern sie überhaupt aus dem Stall dürfen. Da können sie nicht davonlaufen und so brauchts keine Kuhglocken mehr, um sie wiederzufinden. Wie ein gestimmtes Geläute klingen soll, kann mensch aber im Hersbrucker Museum ausprobieren: Es gibt dort einen ganzen Satz Kuhglocken, deren Zusammenklang durch kurzes Anschlagen getestet werden kann. Und so klingt das:

  1. Süss, Helmut (1983): Das Deutsche Hirtenmuseum Hersbruck. In: Schönere Heimat 72 (1), S. 33–37, hier 35. []
  2. Vgl. Text auf der früheren Internetseite des Hersbrucker Hirtenmuseums []
  3. Hoffmann, J.: Geschichte der Harzer Kuhglocken und ihrer Herstellung. Online-Artikel zuletzt geprüft am 20.02.2015 []
  4. Franke, R. (1902): Bilder aus dem Thüringer Wald. 1. Der Kuhhirt. In: Hedwig Böttner (Hg.): Thüringen in Wort und Bild. Band 2. Leipzig: Klinkhardt, abgedruckt in Der Museumskurier. Mitteilungen des Geschichts- und Museumsvereins Zella-Mehlis, Heft 13, Februar 2007 []
  5. Bachmann-Geiser, Brigitte (1981): Die Volksmusikinstrumente der Schweiz. Leipzig: VEB Deutscher Verlag für Musik (Handbuch der europäischen Volksmusikinstrumente, Serie 1, Band 4) []
  6. Vgl. Campanacci-Schmiede Antonio und Carlo Sulis aus Tonara. Online-Artikel zuletzt geprüft am 20.02.2015 []
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Kuhglocken in bester Stimmung by Steffi Zachmeier. is licensed under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 4.0 International

Autor: Steffi Zachmeier

Die Nürnbergerin Steffi Zachmeier ist mit den fränkischen Melodien aufgewachsen und seit ihrer Kindheit auf Bühnen zu finden. Mit ihren verschiedenen Musikgruppen setzt sie auf einen unkomplizierten und dennoch stilsicheren Umgang mit fränkischen Traditionen. Die Mitherausgeberin von Notenmaterial und Liederbüchern war über 30 Jahre in den Volksmusiksendungen des Bayerischen Rundfunks als Moderatorin zu hören, mit ihren Texten in Nürnberger Mundart bekommt manche Veranstaltung eine eigene Würze. Von der Bayerischen Musikakademie in Hammelburg wurde Steffi Zachmeier beim Fränkischen Liedermacher-Wettbewerb ausgezeichnet, vom Frankenbund im Jahr 2009 mit dem jährlich vergebenen Kulturpreis und 2016 mit dem Frankenwürfel der drei fränkischen Bezirke.

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