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musikalische Traditionen

24. Februar 2022
von Steffi Zachmeier
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Die Redowa – Ein Tanz mit Potenzial

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Dieses Projekt wurde gefördert vom
Stipendienprogramm Neustart Kultur
der Bundesregierung, vergeben von der GVL

Bereits im Jahr 1987 hat mein Vater zu einem Tanz namens Redowa recherchiert und das Gefundene von den Teilnehmenden bei der Volksmusikwoche in Pappenheim ausprobieren lassen. Seine Ergebnisse wurden damals in den Volksmusikblättern veröffentlicht.1 Aus irgendeinem Grund hat er die Sache danach aber offenbar wieder aus den Augen verloren und so ist die Aktion im Sande verlaufen: Die Redowa wurde weder bei Kursen gelehrt noch an Tanzabenden ins Programm aufgenommen. Das ist schade, denn es handelt sich um einen wirklich reizvollen Tanz.

Das Bewusstsein über den Variantenreichtum der Tänze ist in der Volkstanzszene nicht besonders entwickelt. Oft herrscht die Meinung, es gebe nur ‚die eine richtige‘ Form eines Tanzes. Wer sich anders bewegt, wird schon einmal auf einen ‚Fehler‘ hingewiesen. Erst in den letzten Jahren hat es vereinzelte Bestrebungen gegeben, nicht nur die vorgegebenen Formen zu reproduzieren, sondern ein kreativeres Tanzen anzuregen. Im Zusammenhang mit der Förderung von freiem, variantenreichem Tanzen ist mir der damalige Versuch in Pappenheim wieder eingefallen, denn was in letzter Zeit als ‚Freestyle‘ oder ‚freies Tanzen‘ zum Thema wurde, ist in der Redowa bereits angelegt.

Aktuell wird der Tanz in Bayern allerdings lediglich in einer ganz bestimmten festen Form getanzt. Karl Horak hatte sie so in Südungarn vorgefunden.2 In den leider wenigen anderen historischen Tanzbeschreibungen, die gut nachvollziehbar sind, nennen einige Anweisungen strikt eine jeweils bestimmte Bewegung und Taktanzahl. Es gibt jedoch auch Bemerkungen, die eine größere Spannbreite an tänzerischen Möglichkeiten andeuten.

Da ich nicht davon ausgehe, dass die Volksmusikblätter aus den 1990er Jahren noch in allen Haushalten vorhanden sind, will ich hier nochmal ein wenig über die vorhandenen deutschen Quellen berichten.

Der Tanz Redowa

Redowa-Waltz Grafik auf einem Noten-Titelblatt
Grafik eines Noten-Titelblatts3

Die Redowa scheint um 1830 aufgekommen zu sein und sich – ganz ähnlich wie die Mazurka – bis in die 1840er Jahre über Paris in ganz Europa verbreitet zu haben. Die Quellen verweisen auf eine Herkunft aus Böhmen und ein anonymer Autor bestätigt das, wenn er notiert:

„Ich, der Schreiber dieser Zeilen, habe freilich einen ganz aparten Rückhalt, um mich vor mir selber zu entschuldigen, wenn ich diese Orte öfter besuche als eben nöthig ist. Ich bin nämlich ein Böhme und mache mir weiß, daß ich die ‚Bals champêtres‘4 von Paris nur darum besuche, um die heimatlichen Tänze der Polka und des Redowaks (la Rédowa hier genannt) wieder zu sehen und die alten böhmischen Melodien wieder zu hören, die mir vor Jahren im alten Prag so wollüstig im Ohre geklungen.“5

Mit Tänzen wie der Redowa, der Polka oder auch der Polonaise und der Mazurka drückten Böhmen und Polen das in dieser Zeit „erwachende ethnische Bewußtsein” aus, bemerkt Petr Novák.6

Auch in Bayern war Redowa in Mode, was etliche Belege bezeugen: Von etwa 1840 stammt z.B. der Druck einer ‚Regdowak-Polka‘ für Klavier im 2/4-Takt in der Reihe ‚Münchener Lieblingsstücke‘, nach der angeblich Fanny Elßler getanzt haben soll.7 Einen weiteren Beleg gibt es von ca. 1840/50 aus Pfaffenhofen.8

In einem Klavier-Notendruck mit Dachauer Tänzen von ca. 1850 findet sich ein ‚Regdowack‘ im 3/4-Takt9 und auch das Werk des Militärmusikers Peter Streck – gebürtig übrigens aus Gersfeld in der Rhön – enthält mindestens zwei gedruckte ‚Regdowaks‘ aus der Mitte des 19. Jhdts.10

Redowa / Regdowak-Melodie von Peter Streck
Regdowak von Peter Streck

1863 wird ‚Regdowak‘ als „unterm Bauernvolke“ vorhanden in der Bavaria erwähnt,11 eine ‚Redowa-Polka‘ ist in der Ausschreibung einer Landshuter Tanzlehrerin 1872 aufgelistet12 und 1896 kommt sie in einem Tanzbuch aus München vor13. In der Sammlung des Musikethnologen Felix Hoerburger ist eine ‚Reduva‘-Melodie aus Eisenbach im Spessart aus dem Nachlass des Tanzforschers Hans von der Au vorhanden,14 was der damalige Anstoß für die Nachforschungen meines Vaters war. Sie steht im 3/4-Takt.

Der Schritt der Redowa

Der Schritt der Redowa ist offenbar unterschiedlich ausgeführt worden – mal ausgefeilter und mal eher wie der übliche Walzerschritt. 1861 steht in einem Lexikon jedenfalls „es ist ein gewöhnlicher Ländrer“15 und auch A. Diringer schreibt 1886 lapidar:

„Die Redowa ist nichts Anderes als eine charakteristische Variation des Walzers in gemäßigtem Tempo. Der erste und vierte Schritt des Walzers wird mit einem kurzen, lebhaften Aufschwung begleitet.“16

Diesen ‚lebhaften Aufschwung‘ beschreibt z.B. auch Friedrich Albert Zorn 1887, der sich deutlich detaillierter äußert:

„1. Silbe. Der Herr gleitet mit dem linken Fuß, unter Vorausgang eines leichten Hupfes auf dem rechten Fuß, im Auftakt in die 2. Position (temps levé glissé).
2. Silbe. Der rechte Fuß rückt unter leichtem Erheben dem linken Fuß in die 3. Position nach und stößt ihn gleichsam nach seitwärts (coupé latéral).
3. Silbe. Der mithin in der 2. Schwebeposition befindliche linke Fuß fällt nieder und der rechte nimmt sofort hinter dem linken die 3. Schwebeposition an (jeté).“17

Mit dem Ballett-Terminus ‚Pas de basque‘ beschreiben oder vergleichen manche den Schritt,18 worauf ich aus Platzgründen hier nicht weiter eingehen kann. Mario Hecker, Vorstandsmitglied bei der Deutschen Gesellschaft für Volkstanz, beschrieb mir den Schritt, den er bei befreundeten tschechischen Tanzlehrer_innen kennengelernt hat, folgendermaßen:

Der Schritt der Redowa besteht aus drei Elementen:19

  1. Ein Sprung, also Gewichtsübertragung
  2. Ein am Boden entlang gleitender Schritt
  3. Ein Sprung, der den vorher belasteten Fuß von der Stelle „wegkickt“, etwa wie bei Galoppschritten

Mario Hecker hat mich auch auf eine Videoaufnahme hingewiesen, die etwa ab 8:05 sowohl den Schritt als auch verschiedene Figuren der Redowa anschaulich macht: 20

Die Figuren der Redowa

Es ist bei der Redowa offenbar umgekehrt wie bei der Abwechslung zwischen der in der Renaissance üblichen Folge von geradtaktigem Schreittanz und Springtanz im Dreiertakt. Die Reihenfolge bei der Redowa war stattdessen zuerst der 3/4-Walzer/Mazurka, dann der 2/4-Schottisch/Polka. Dennoch gibt es eine Ähnlichkeit: Bei beiden wird zuerst die ruhigere Version getanzt, dann die lebhaftere.

Diese beiden rhythmischen Redowa-Varianten bestehen dabei aus mehreren verschiedenen Figuren, die in den historischen Tanzbeschreibungen in jeweils unterschiedlicher Abfolge vorkommen. Vielleicht war die Reihenfolge ja tatsächlich nicht vorgegeben, denn Georg Gerster schreibt 1850 von der Redowa, sie „darf mit allen beliebigen Wendungen um sich getanzt werden“.21 Ebenso berichtet Franz Magnus Böhme in seiner ‚Geschichte des Tanzes in Deutschland‘, die Figuren könnten getanzt werden „ohne an eine bestimmte Anzahl von Takten für die einzelne Tour gebunden zu sein.“22

Die beliebige Aneinanderreihung der Figuren erwähnt auch Alfred Waldau in seiner vielzitierten frühen und gut nachvollziehbaren Beschreibung der Redowa. Er schreibt 1859 in seinem Werk über ‚böhmische Nationaltänze‘:

„Der Tänzer hält seine Dame wie beim Walzer umschlungen und tanzt mit ihr drei Takte in der Linksdrehung, dann tanzt er in Rechtsdrehung einen Takt zurück; hierauf tanzt er wieder drei Takte vorwärts, diesmal jedoch in Rechtsdrehung, und einen Takt zurück in der Linksdrehung. Hiemit ist die ganze Figur des Rejdovák vollendet und wird nun so oft wiederholt als es dem tanzenden Paare beliebt. Zuweilen macht das walzende Paar noch eine besondere Figur, indem es aufhört sich zu drehen und nur nach rechts und links sich zu schaukeln scheint. Was das Taktmaß betrifft, so ist im Rejdovák das Walzertempo (der Dreivierteltakt), bei der Rejdovačka (das Polkatempo) der Zweivierteltakt das herrschende.“23

Sechzig Jahre später beschreibt hingegen Wilhelm Stahl in seiner Sammlung niederdeutscher Volkstänze den Schritt in einer festgelegten Abfolge:

„Takt 1 und 2: je ein Walzer-(Polka-)schritt nach links und rechts, Takt 3 und 4: Rundtanz. Dieser Wechsel wird fortgesetzt wiederholt.“24

In beiden Fällen ist sind die Figuren, die im Walzer- bzw. Polkaschritt ausgeführt werden, ein Drehen (Walzen) bzw. ein Schaukeln zu beiden Seiten. Diringer beschreibt noch eine weitere Figurenvariante, die lineare Fortbewegung, ähnlich des später als ‚Schieber‘ bekannten Tanzes. Er verknüpft das ‚Schieben‘ außerdem mit dem Hin- und Her-Schaukeln.

„Das Eigenartige in der Redowa ist ein abwechselndes Vorwärtsrücken des Herrn und gleichzeitiges Zurückweichen der Dame, beides auch umgekehrt. Dazu ist erforderlich, daß man die zweimal drei zu einmaliger Umdrehung bestimmten Walzerschritte auch auf der Richtungslinie vor- und rückwärts auszuführen vermöge und damit gleichzeitig ein seitlich Rechts- und Linksabweichen vom Standpunkt aus verbinde. Das Vorwärts- und Zurückweichen ist vom Herrn abhängig und seiner Willkür überlassen. Seiner Führung wird die Dame sich anzubequemen haben und ihr Zurückweichen oder Vorwärtsrücken von den Bewegungen des Tänzers abhängen.“25

Die drei verschiedenen Figuren beschreibt ganz knapp der Lexikoneintrag bei Pierer, dass nämlich „nach einigen Touren das walzende Paar stehen bleibt u. nach einigen Pas in denselben Takt vor u. zurück u. auf die Seite weiter walzt.“26

Die Musik der Redowa

In Böhmen gehörte der Redowak zu einer Gruppe von zweiteiligen Tänzen, die jeweils aus einem langsamen Teil im 3/4-Takt oder im 4/4-Takt und einem schnellen Teil im 2/4-Takt bestanden.27

Musikalisch haben wir es also ursprünglich mit zwei verschiedenen Angelegenheiten zu tun: Wie wir auch bei Alfred Waldau erfahren haben, wird der langsamere Tanz im ungeraden Takt ‚Rejdovák‘ (später in Westeuropa eben ‚Redowa‘) und der schnellere im geraden Takt ‚Rejdovačka‘ genannt. Charakteristisch ist, dass bei dem Phänomen Redowa/Redowaczka dieselbe Melodie in den beiden Taktarten variiert wird. Wann der Rhythmus jeweils abwechselt, wird dabei natürlich nicht von den Tanzenden frei entschieden, sondern von der Musik vorgegeben.

Noch 1837 ist in einem Wörterbuch zu lesen „Redowak oder Redowazka, ein böhmischer Tanz, dessen Melodie bald in dem Zweiviertel- bald in dem Dreiviertel-Takte gesetzt ist“28 und ‚Pierer’s Universal-Lexikon‘ beschreibt die Regdowa noch 1861 als „böhmischer Tanz, dessen Melodie aus Reprisen besteht, welche abwechselnd in Zwei- u. Dreivierteltact gesetzt sind“.29 Hingegen bedauert Franz Ludwig Schubert schon 1863: „Die ältere Redowa war charakteristischer, da in ihr Zweiviertel- und Dreivierteltakt wechselten.“30

Diese Abwechslung der beiden Taktarten scheint also dann auch bald wieder ungebräuchlich geworden zu sein. Darauf weisen auch die vielen im 19. Jahrhundert komponierten und gedruckten Redowas hin, die im 3/4-Takt stehen.31 Auch die mir zugänglichen Belege aus volkstümlichen Musizierheften beinhalten ausschließlich 3/4-Takt-Redowas.32 Manche weisen eine deutliche Ähnlichkeit zur Mazurka auf, überhaupt gibt es auch tänzerisch dazu einige Verbindungen.

Es ist wohl nicht zu vermuten, dass die Musiker damals die 2/4-Variation improvisiert haben, so dass anscheinend die gerade so attraktive Abwechslung zwischen 3/4- und 2/4-Rhythmen schon bald nur noch sporadisch verbreitet war.

Musikalische Möglichkeiten in der heutigen Praxis

Natürlich können die vorhandenen Redowa-Melodien auch heute zum Tanz aufgespielt werden. Für einige davon habe ich zum aktuellen Gebrauch die Noten für Akkordeon und eine zusätzliche B-Stimme zusammengestellt. Außerdem stehen davon Aufnahmen im mp3-Format zur Verfügung.

Für die heutige Praxis könnte ich mir aber durchaus auch vorstellen, beliebige gefällige Walzer-Melodien für einen Redowa-Tanz zu verwenden. Ich denke, dieses Recht können wir uns durchaus nehmen, da ja auch in der Vergangenheit Redowa nicht nur auf eine ganz bestimmte Melodie getanzt wurde. Dazu könnten gute Musikant_innen eine entsprechende Variation im geraden Takt entweder improvisieren oder aber eine vorher notierte Version vom Blatt abspielen.

Selbstverständlich ginge auch der umgekehrte Weg, aus einem Schottisch einen Walzer zu variieren. Das ist kein Zauberwerk! Als Beispiel dafür habe ich hier einmal den Versuch mit dem ersten Teil des bekannten ‚Happurger Schottisch‘ gemacht:33

Noten des Happurger Schottisch
Die ursprüngliche Version als ‚Happurger Schottisch‘
Noten des Happurger Schottisch als Walzer
Die selbe Melodie als Walzer

Tänzerische Möglichkeiten in der heutigen Praxis

Alle verschiedenen Varianten zusammengenommen, existieren letztlich ein paar Elemente, die kreativ abgewechselt werden können und den Tanz auf diese Weise spannend machen. Praktikabel scheint mir Folgendes:

Die Redowa/Redowaczka wechselt zwischen 3/4- und 2/4-Takt. Demgemäß können als Tanzschritte Wechselschritte getanzt werden – als Walzer und als Schottisch/Polka. Außerdem ist im 3/4-Takt Mazurka möglich. Der eigentliche, etwas kompliziertere Redowaschritt, wie er oben beschrieben ist, ist dazu nicht nötig.

Je nach Belieben des/der Führenden (und Platzangebot auf der Tanzfläche) können dazu folgende Figuren getanzt werden:

Drehen: Sowohl Walzer als auch Schottisch können rechtsherum und linksherum getanzt werden.

Schieben: Die lineare Tanzbewegung wird üblicherweise durch die Führenden mit Blick in Tanzrichtung ausgeführt. Auch die umgekehrte Version ist allerdings möglich, also so, dass sich die Folgenden mit Blick in Tanzrichtung bewegen. Eventuell könnte außerdem gegen die Tanzrichtung ‚geschoben‘ werden. Bei allen Bewegungen gegen die Blickrichtung der Führenden ist allerdings Vorsicht geboten bzw. Mithilfe und Aufmerksamkeit der Folgenden.

Schwenken: Ohne größere Bewegung in Tanzrichtung vorwärts verweilt hierbei das Paar (fast) am Platz. Der/die Führende ‚schwenkt‘ die andere Person vor sich nach links und rechts.

Dazu kommt noch eine weitere mögliche Variante:

Promenieren: Die beiden Tanzenden bewegen sich Schulter an Schulter beide mit Blick in die Tanzrichtung vorwärts.

Bei allen Tanz-Elementen ist es möglich die Anzahl der Takte zu variieren, bevor wieder zu einem anderen Element gewechselt wird. Günstigstenfalls ist der Wechsel der Figuren von der jeweiligen musikalischen Vorlage inspiriert. In einem Extra-Beitrag gibt es noch genauere Infos zu den möglichen Tanzfiguren der Redowa.

Mir ist klar, dass einige Tanzende klare Anweisungen und Vorgaben bevorzugen und sich mit der Möglichkeit von freier Kombination eher schwer tun. Besonders für Anfänger und Anfängerinnen erleichtern eindeutige Regeln manchmal den Einstieg.

Für weniger reglementierte Tanzformen spricht jedoch auch die Tradition: Die reiche Variantenbildung im Tanzgeschehen früherer Tage weist ja gerade darauf hin, dass im ursprünglichen Kontext der heute ‚Volkstanz‘ genannten Tänze das Ziel nicht ‚saubere Ausführung‘ und ‚Traditions-getreue‘ Reproduktion war. Wirkliches tänzerisches Können besteht meiner Meinung nach erst, wenn gelernte Formen und Bewegungen auch in anderen Kontexten angewendet werden. Wenn sie neu kombiniert, und frei nach Lust, Laune und musikalischen Anreizen ausgelebt werden. Erst dann können Tanzende und Musizierende in eine wirkliche Wechselwirkung treten, denn sie können aufeinander reagieren – vorausgesetzt, dass auch die Musik sich nicht starr an notierte Vorlagen hält.

In diesem Sinne möchte ich alle Seiten zum fröhlichen Ausprobieren und kreativen Umgang mit den Traditionen auffordern. Nur das, was sich verändert, lebt!

Dieser Text könnte durch neue Erkenntnisse aus der fortgesetzten Recherche ergänzt werden und sich noch verändern. Aktueller Stand ist vom 23.02.2022

  1. Zachmeier, Erwin. 1987. Rediwa, Redowa, Reduva.. Fränkische Volksmusik Blätter 11, Nr. 43: 21–34 und Ders. 1988. Nocheinmal: Redowa. Fränkische Volksmusik Blätter 12, Nr. 44: 45–48 []
  2. Horak, Karl. 1935. Volkstänze aus der schwäbischen Türkei (Südungarn). Deutsche Volkstänze 29. Kassel: Bärenreiter []
  3. Jullien. ca. 1850. The Original Redowa Waltz. New York: Firth & Hall []
  4. Tanzveranstaltungen im Freien []
  5. H.D.: Aus Paris, in: Die Grenzboten. Bd. 2, 6, 1847, 392–395, hier 393f []
  6. Novák, Petr. 1990. Gesellschaftliches Klima und seine Projektion im Gebrauchstanzrepertoire Böhmens im 19. Jahrhundert. Bohemia 31, Nr. 1: 21–37. []
  7. Enzinger, Josef. 1840. Komische Regdowak-Polka: für d. Pianoforte. München: Aibl []
  8. Mir vorliegend ist ein Notenblatt nach einer Handschrift im Besitz der Kapelle Finsterer, Pfaffenhofen/Ilm von 1840/50 []
  9. Bonn, Hermann. Dachauer Tänze für Klavier. München und Bern: Musikverlag Josef Aibl, abgedruckt in: Scheck, Wolfi und Ernst Schusser. 1989. Dachauer Tänze nach 1850. In: Überlieferte Volksmusik aus Stadt und Landkreis Dachau: Dokumente aus 180 Jahren: Oberbayerische Kulturtage in Stadt und Landkreis Dachau 30. September – 15. Oktober 1989, München: Bezirk Oberbayern, 90-93, hier 93 []
  10. Eine davon veröffentlicht in Meixner, Hubert. 1997. Regdowak: Mazurka von Peter Streck, München um 1855, nach Opus 84/11, in Bearbeitung für Blasmusik. Blasmusiksätze für „Dörfliche Blasmusik“ 20. Bruckmühl: Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern. Eine weitere als Nr. 11 in: Streck, Peter. 1859. IX. Parthie enthält Zwölf Stücke für kleines Streichorchester in ausgesetzten Stimmen [op. 313]. Nr. 113. München: Selbstverlag []
  11. 1863. Bavaria. Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern, 2. Band: Oberpfalz und Regensburg. Schwaben und Neuburg. München: Cotta, 315 []
  12. Nach Herzog, Theo. 1969. Landshut im XIX. Jahrhundert. Landshut: Stadt Landshut, 387 []
  13. Haselberger, Karl. 1896. Die Tanzkunst. München: Hugendubel. – Haselberger ist im Adreßbuch von München für das Jahr 1896 (S. 199) aufgeführt als „Hofballettänzer u. Tanzinstitutsinhaber“ in der Hochbrückenstraße Nr. 14, 2. Stock []
  14. Abgedruckt in: Hoerburger, Felix. 1978. Die instrumentale Volksmusik Bayerns im Spiegel der handschriftlichen Notenbücher: Festvortrag beim Eröffnungsabend des Seminars. Fränkische Volksmusik Blätter 10, Nr. 39: 3–25, hier 18 []
  15. Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart oder neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. 13, Pfiff – Reidsville. Altenburg: Pierer, 1861, 920 []
  16. Diringer, A. 1889. Die Tanzkunst: Kulturhistorische Skizze mit Tanz-Lexikon. Die Tänze der einzelnen Völker und die praktische Lehre der modernen Salontänze nebst einem illustrierten Cotillon. 3., vergrößerte und verbesserte Aufl. München: Caesar Fritsch, 100 []
  17. Zorn, Friedrich Albert. 1887. Grammatik der Tanzkunst: theoretischer und praktischer Unterricht in der Tanzkunst und Tanzschreibkunst oder Choregraphie; nebst Atlas mit Zeichnungen und musikalischen Uebungs-Beispielen mit choreographischer Bezeichnung und einem besondern Notenhefte für den Musiker. Leipzig: J. J. Weber, 206 []
  18. Z.B. Böhme, Franz Magnus. 1886. Geschichte des Tanzes in Deutschland. Beitrag zur deutschen Sitten-, Literatur- und Musikgeschichte. Nach den Quellen zum erstenmal bearbeitet und mit alten Tanzliedern und Musikproben herausgegeben. Leipzig: Breitkopf und Härtel, Band I, 228 []
  19. Vielen Dank an Mario Hecker auch für etliche weitere Hinweise []
  20. Zuletzt abgerufen am 24.01.2022 []
  21. Gerster, Georg. 1850. Die Tanzkunst verbunden mit der Complimentir- und Anstandslehre: Systematischer Leitfaden zur Erlangung einer schönen Haltung, eines richtigen Ganges und Beschreibung aller derzeit beliebten Tänze; nebst vollständiger Coregraphie der Complimentstellungen und der Tanzfiguren: la Française, Polonaise et Lances-Quadrille. 2. durchaus verbesserte und vermehrte Auflage. Speyer: G.L. Lang, 40 []
  22. Böhme, Franz Magnus. 1886. Geschichte des Tanzes in Deutschland. Beitrag zur deutschen Sitten-, Literatur- und Musikgeschichte. Nach den Quellen zum erstenmal bearbeitet und mit alten Tanzliedern und Musikproben herausgegeben. Leipzig: Breitkopf und Härtel, 228 []
  23. Waldau, Alfred. 1859. Böhmische Nationaltänze: Culturstudie. Prag: Hermann Dominikus, 36f. []
  24. Stahl, Wilhelm. 1921. Niederdeutsche Volkstänze. Hamburg: P. Hartung []
  25. Diringer, ebd. []
  26. Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart oder neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. 13, Pfiff – Reidsville. 1861. Altenburg: Pierer, 920 []
  27. Volek, Tomislav et al. Oktober 2017. Artikel „Tschechische Republik.” In: MGG Online, Bärenreiter, Metzler, RILM, 2016–. Online https://www.mgg-online.com/mgg/stable/14113, zuletzt aufgerufen am 16.02.2022 []
  28. Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften oder Universal-Lexicon der Tonkunst. 5. Stuttgart: Löflundt, Köhler, 1837, 662 []
  29. Pierer, ebd. []
  30. Schubert, Franz Ludwig. 1863. Katechismus der musikalischen Formenlehre oder die Lehre von den Vocalformen der Kirchenmusik, dramatischen Musik, Kammermusik und des Volks- & Naturgesanges, sowie die Instrumentalmusikformen der Concert-Salon-Tanz- & Militairmusik mit Bezug auf ihre historische Entwickelung fasslich und einfach dargestellt. Leipzig: Merseburger, 103 []
  31. Ich konnte allerdings nur wenige einsehen. Eine Sichtung der 441 (!) aufgeführten Redowa-Ausgaben in den Hofmeister’schen Monatsberichten der Jahre 1831 bis 1900 ist für mich nicht leistbar. Siehe https://hofmeister.rhul.ac.uk, zuletzt aufgerufen am 22.02.2022 []
  32. 33 Nummern in den flämischen Quellen bei Boone, Hubert. 2010. Dansmelodieën uit de Vlaamse volksmuziektraditie. Leuven: Peeters. – Außerdem sechs Redowas aus einem handschriftlichen ‚Tourenbuch Niederelbe‘, wohl aus der zweiten Hälfte des 19. Jh. aus dem Nachlass von Fritz Jöde, die mir dankenswerterweise Thomas Behr zur Verfügung gestellt hat []
  33. Zachmeier, Erwin und Stefanie. 1982. Happurger Tanzmusik: Die Sammlung des Leonhard Bauer. Stein: Arbeitsgemeinschaft Fränkische Volksmusik Bezirk Mittelfranken, 5 []

1. November 2021
von Steffi Zachmeier
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Golly und sein Bluesgeziefer

Nein, Golly ist keine Phantasiegestalt aus einem Kinderbuch, Golly ist Musiker und heißt eigentlich Roland Hertlein. In den Nordbayerischen Nachrichten hatte ich von seiner CD “Bluesgeziefer” mit fränkischen Songs gelesen. Sofort haben bei mir ein paar Lichtlein geblinkt, denn für mein Radio Fränkisch Spoken bin ich ja immer auf der Suche nach weiteren Musiktiteln.

Zwei Tage später war Golly im Marthacafé zur CD-Vorstellung, eine Gelegenheit mal wieder ein Konzert live zu erleben, die ich gleich ergriffen habe.

Und so wie er auch die CD produziert hat – nämlich corona-gerecht ganz allein mit den Audiofiles, die ihm die Kollegen geschickt hatten – so stand er auch hier vor dem Publikum.

Künstlerisches Multitalent

Golly ist Nürnberger, lebt jedoch schon seit 1981 im Oberpfälzischen Oberweiling, wo er ein Aufnahme-Studio und zusammen mit seiner Frau das Kleinkunstlokal Kneipenbühne führt. Neben dem Komponieren, Musizieren und Produzieren schreibt Golly auch noch literarische Texte, die er im eigenen Verlag herausgibt.

Leichte Stoffe sind seine Sache aber wohl eher nicht: Dystopisch mutet die Beschreibung des Romans Reïnklonation an und die Novelle Brandnarb handelt von einem obdachlosen Verbrennungsopfer. Letztere Geschichte hat Golly auch als Song (brandnarb) verarbeitet. Neben weiteren tragischen Liedtexten über einen Selbstmörder (ich schdäi auf der brüggn), einen weiteren Obdachlosen (blindgänger) und einen alkoholabhängigen Brandstifter (gäih werf dein schnabbs…) gibt es aber auch tröstliche Zeilen:

.. und manchmol erlebst wos, des lässd di nimmer los – des wärd in der erinnerung ned glänner, des bleibd groß ..

Aus dem Song “es war amal”

Und dann finden sich im Programm noch eher skurrile Titel: da gehts um eine Suppe mit “blasdigwrfl hulzwrfl elfnbeinwrfl” (wrfl) – zum Verständnis bitte laut aussprechen! Ja, sogar der bekannte Vierzeiler über die 100.000 Heringsbüchsen, die über den Burgberg herunterrollern, gehört zum Repertoire von Golly.

CD-Cover Bluesgeziefer von Golly

Das Bluesgeziefer, die Remote-Mitwirkenden, haben ganze Arbeit geleistet dabei, diesen authentisch getexteten Songs ein würdiges musikalisches Fundament zu legen. Dabei waren Naidvartai Zett am Schlagzeug, Miller the Killer am Piano, Ralf Trautner an der Gitarre, Udo Schwendler mit der Trompete, Peter Schöberl an der Gitarre, Wolfgang “Wuffi” Kamm mit einem Didgeridoo und natürlich Golly selbst mit verschiedenen Instrumenten. Außerdem haben sich Henning Frank, Tochter Heike Kindl und Enkel Maxi auf der CD verewigt.

Fragen an Golly

Ein paar Fragen hatte ich natürlich nach dem Konzert noch an Golly. Hier hört ihr unser Gespräch:

Für diejenigen, die lieber lesen als hören, hier der Wortlaut des Interviews:

  • Steffi: Bei einem Konzert in Nürnberg hab ich kürzlich Roland Hertlein alias Golly getroffen, grad is seine CD “Bluesgeziefer” erschienen. Ich hab ihn gfragt, wie’s kommt, dass er nach vielen vielen Jahren nun Songs auf Fränkisch macht?
  • Golly: Ich hab mein Dachboden aufgräumt und da simmer so verschiedene Sachen unter die Finger kumma, die ich vor langer Zeit gschrieben hab – Fragmente meistens. Und des eine war wirklich “heid fräih bin i aafgwachd aganz alaans” – recht viel mehr war net. Und da hab ich ebn dann halt ne Gschichte drumherum gschriebn. Und dann hab i einfach Spaß an der Freud kriegt und gsagt “Da kann i doch no mehr machen, des langt doch net”. Und jetzt sind des 14 Stücke gwordn.
  • Steffi: Jetzt lebst du ja schon lang in Oberweiling bei Neumarkt in der Oberpfalz, trotzdem textest du fränkisch.
  • Golly: Naja, ich kann scho aa Oberpfälzisch sprechen. Aber des is net Heimat!
  • Steffi: Unter den bekannten Corona-Bedingungen habn dir die Musiker-Kollegen nur Musikfiles zugschickt, aus denen du dann die CD gebastelt hast. Deine Auftritte sind momentan auch solistisch mit zugespielten Audios. Wie fühlt sichn des an für dich?
  • Golly: Ganz komisch! Also, des is so, wennst alleins auf der Bühne stehst, dann fokussiert sich alles auf dich, auf dich als Person. Wenn du ne Band um dich rum hast, dann schaun die amol dohin, mol dohin, mol dohin, dann isses net so stressig. Und des andere is: Wenn du zu ner Konserve singst, die is ja gnadenlos. Also lebendige Musiker, die sagn, “hobberla, etz hat er sich vertan. Dann tu mer halt noch amol a Strophe mit neisetzen, dass er a Chance hat.” Des is halt da net so. Des fühlt sich also net bsonders gut an für mich.
  • Steffi: Wirds also demnächst Gigs mit der ganzen Band gebn?
  • Golly: Da muss ich umanander fragn, ich glaub schon. Schlimm is halt, dass dieser wunderbare Gitarrist, der Peter Schöberl, verstorben is. Mit dem hab ich zum Beispiel, des war 1969, die erste Platte aufgnommen. Da war ich 17 und er 19.
  • Steffi: Wie kommt des Konzept mit Mundart-Texten bei deim Publikum an?
  • Golly: Letzte Woche in Oberweiling, also bei mir daheim, Heimspiel, da waren die Leut total ausm Häuschen. Und heut glaub ich, wars auch net schlecht. Ich glaub, es hat schon jedem gfalln.

20. Mai 2021
von Steffi Zachmeier
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Die Kapelle Bomhard – Rundum authentisch

Eine musikalisch sehr erfreuliche Entdeckung des letzten Jahres für mich waren die drei Brüder Georg, Heiner und Johannes Bomhard alias Kapelle Bomhard. Sie kommen ursprünglich aus Dietenhofen in Mittelfranken, spielen mit Akkordeon, Gitarre und Kontrabass und singen fränkisch dazu. Das klingt unspektakulär. Es ist aber weit mehr: Ich meine, dass das, was da zu hören ist, durchaus einen Weg weisen könnte, wie fränkische Liedtradition auch im 21. Jahrhundert funktioniert. Und so nennen die Herren ihr Produkt auch “Folksmusik aus dem Herzen Frankens”.

Da gibt es freche Vierzeiler mit einfachen Melodien und dem Titel “Liedli”, die von den ganz üblichen achttaktigen Kerwa-Vierzeilern inspiriert sind. Auch manche Rhythmen weisen auf die traditionellen Tänze: Der “Äbirngalopp” ist ein Schottisch, der “Herbstgalopp” ein Dreher, der “Tanz” ist ein Zwiefacher. Selbstverständlich müssen kreative Musiker aber auch Überlieferungen hinter sich lassen: Der “Thailändler” steht im 5/8-Takt, “Reeng” im 7/8, der “Brunzwalzer” erinnert mit seinen Harmonien eher an französische Folk-Melodien, das nostalgische “Gummibärli und Schoglood” an Liedermacher.

Kreative Brüder

Erfreulich einfallsreich und bunt überraschen die CDs von Titel zu Titel immer wieder mit neuen Ideen und Inhalten. Dabei halten sich die Texte nicht auf mit den überlieferten “dreckerten” Vierzeilern, die andere für erwähnenswert hielten, sondern beschäftigen sich ganz selbstverständlich mit aktuellen Themen: Da kommen die Klimakrise, Händi-“Aggus”, Ex-Präsident Trump, ja, und natürlich auch Corona/Covid vor. Da gibts aber auch ruhige Songs wie “Für Anna” und verträumte lyrische wie “Drundn am Booch”. Die samtene Dreistimmigkeit der Brüderstimmen rundet deren Innigkeit ab.

Zwei CDs hat die Kapelle Bomhard bisher produziert, eine davon mitten im vergangenen Coronajahr. Der authentische Sound wurde nicht in einem Studio mit viel technischer Finesse aufgeblasen (oder das wurde so gut gemacht, dass es nicht hörbar ist). Da durften auch mal kleine instrumentale oder gesangliche Ungenauigkeiten stehenbleiben. Umso klarer wird im Gegenzug auch das professionelle musikalische Können der drei. Sie sind ja nicht nur mit ihrer Brüder-Kapelle unterwegs, sondern alle drei auch mit anderen künstlerischen Projekten befasst. Umso toller, dass aus den fränkischen Wurzeln so schöne Pflanzen sprießen.

Das CD-Vorstellungskonzert, das Pandemie-bedingt ohne Publikum und online stattfinden musste, findet sich nach wie vor auf Youtube. Und wer schon dort ist, kann sich als Zugabe gleich noch das geniale Lied von der Systemrelevanz von Heiner Bomhard anhören. Oder Johannes und Georg mit ihrer Band Sonne, Mond und Sterne.