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musikalische Traditionen

Lieber Anton

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In der kürzlich gesendeten Folge von “Bei uns dahoam. Rund um Nürnberg” habe ich mit den Gästen im Enzenreuther Brauerei-Wirtshaus ein Lied gesungen, das ich von meinem Vater kenne: Lieber Anton. Von ihm stammt auch das Liedblatt, das die Vorlage für mein eigenes ist.

Liedblatt Lieber Anton
Liedblatt Lieber Anton

Kurz nach der Sendung erreichte mich eine E-Mail aus USA:

Hi Steffi,
We just watched the Nov. 17 program, “Bei uns dahoam” and were happy to see the “Lieber Anton” song! It was my grandpa’s favorite song – his name was Anton! He was born in Wisconsin, USA. Anton and all my uncles and father would sing the Lieber Anton song at every family party. The 3rd generation is now learning the words to the song.
We have been looking for sheet music and text for this song for many years – but we looked in Bavaria – where my ancestors are from. In Bavaria, we found songs that were similar, but not exact. It was interesting to see that “Lieber Anton” is from Franken! Your version sounded exactly like my grandpa’s version!
It would be awesome to get sheet music for Lieber Anton. Do you have sheet music available, with German text?
Greetings,
Debbie Blau1

Dass das Lied Anton Blau gefallen hat, ist kein Wunder, es ist fast wie auf ihn zugeschnitten. Dass der Montag Blau-Tag ist, hat allerdings nichts mit seinem Nachnamen zu tun, wie auf Wikipedia nachzulesen ist.

Selbstverständlich schickte ich gern das vorhandene Liedblatt. Bei der Gelegenheit stellte ich jedoch fest, dass mein Vater darauf keine Quelle angegeben hat, er schrieb lediglich “aus mündl. Überlieferung” darunter.

Ein wenig Sucherei erbrachte dann – wie so oft – ein Ergebnis in der Sammlung von Christian Nützel,2 der in Oberfranken in den 1920er und 1930er Jahren hunderte von Liedern aufgeschrieben hat. Allerdings ist die dortige Version aus Vogtendorf im Kulmbacher Landkreis doch ein wenig anders. Auch keine der Versionen, die ich in anderen Büchern3, im Internet4 oder im Archiv des Bayerischen Rundfunks gefunden habe, entspricht genau derjenigen auf dem Liedblatt meines Vaters.

Insbesondere gibt es keine Variante, in der auf die erste Antwort “Heut is Montooch” nochmal eine Frage gestellt wird, wie “Ja, wos gibt’s denn?”. Stattdessen wird sofort angefügt “Heut is Blautooch”. Auch in der Version von Debbie Blaus Verwandtschaft gibt es diese zweite Nachfrage nicht, wie sie mir in einer zweiten Mail schrieb.

Sicherlich gäbe es noch in etlichen Büchern nachzuschlagen, vorerst bleibt mir diese Variante aber ein Rätsel. Vielleicht hat mein Vater sich die Version auch einfach aus verschiedenen Versionen zurechtgesungen und wollte diesen kreativen Akt etwas verschleiern, denn normalerweise hat er seine Quelle durchaus notiert.

Die Version aus Bayern, auf die Debbie Blau anspielt, die ihrer so unähnlich ist, ist übrigens offenbar tatsächlich eher Richtung Österreich und im bayerischen Süden verbreitet: Das Stichwort lautet hier “Was is’ heut für Tag”. Auf Youtube hab ich drei Versionen davon gefunden. Hier ist eine davon:5

Was bleibt: Weder werden wir Debbies Frage lösen, wo ihr Opa das Lied gelernt hat. Dessen Vater, der aus Gleißenberg im Landkreis Cham kam, hat nämlich überhaupt nicht gesungen, von ihm kann er es nicht haben. Noch konnte ich klären, wo mein eigener Vater seine Variante her hat. Nichtsdestotrotz war es spannend, diesem Lied nachzuspüren und vor allem – von so einer regen Singüberlieferung in USA zu hören. Viel Spaß weiterhin dort und viel Spaß allen, die hierzulande Lust auf dieses Lied bekommen haben.

Nachtrag 29.09.2018: In einem völlig anderen Zusammenhang habe ich heute alte Ausgaben der Zeitschrift “Fränkische Volksmusikblätter” durchgeblättert und stieß auf den Abdruck vom Anton-Lied in zwei verschiedenen Versionen. Dazu schreibt mein Vater:

“Fast durch Zufall kam ich zu den beiden vorliegenden Fassungen dieses “Lawinenlieds” (…). Die Form “Bruder Anton” haben mir Mitglieder des Trachtenvereins Neunhof bei Nürnberg vorgesungen. Die Form “Lieber Anton” habe ich kurz darauf von den Sängern aus Kalbensteinberg (bei Spalt) gehört.”6

Voilá!

  1. E-Mail, gesendet am 17.11.2013, 20:58h []
  2. Franz Josef Schramm und Franziska Zachmeier. Die Liedersammlung des Christian Nützel. Zweiter Band. München 1995, S. 17f []
  3. z.B. Armin Griebel und Heidi Schierer. Wann mir beisamme sitze. Gesellige Lieder vom Untermain. Miltenberg o.J., S. 17, dort werden auch noch etliche weitere Belege angeführt. Manfred Beulecke. Ob i sing oder pfeif. Schwäbisches Volksliederbuch. Kempten 1985, S. 22, dort: “aus dem Ostallgäu”. Ganz anders auch bei Konrad Scheierling. Donauschwäbisches Liederbuch. Straubing 1985, S. 156, dort heißt die Eröffnungszeile “Bruder Adam” und als örtliche Quelle ist verzeichnet “Syrmien“ []
  4. z.B. im Schwäbischen Kulturarchiv, oder bei Karl Schupp, oder unter den Liedern der Familie Wick []
  5. Die weiteren: Mozart Knabenchor Wien (December 4, 2010) – Wiener folksong “Was ist heut´ für´n Tag …” / Franz und Ferdl Kasermandln Was is heit für Tag []
  6. E. Zachmeier. Zu den beiden umseitigen Liedern. In: Fränkische Volksmusik Blätter 1 (Heft 2) 1977, S. 10 []

Autor: Steffi Zachmeier

Die Nürnbergerin Steffi Zachmeier ist mit den fränkischen Melodien aufgewachsen und seit ihrer Kindheit auf Bühnen zu finden. Mit ihren verschiedenen Musikgruppen setzt sie auf einen unkomplizierten und dennoch stilsicheren Umgang mit fränkischen Traditionen. Die Mitherausgeberin von Notenmaterial und Liederbüchern war über 30 Jahre in den Volksmusiksendungen des Bayerischen Rundfunks als Moderatorin zu hören, mit ihren Texten in Nürnberger Mundart bekommt manche Veranstaltung eine eigene Würze. Von der Bayerischen Musikakademie in Hammelburg wurde Steffi Zachmeier beim Fränkischen Liedermacher-Wettbewerb ausgezeichnet, vom Frankenbund im Jahr 2009 mit dem jährlich vergebenen Kulturpreis und 2016 mit dem Frankenwürfel der drei fränkischen Bezirke.

2 Kommentare

  1. Great information, Steffi! Thanks for the research on this song. It’s now the 4th generation of USA Blaus who are learning to sing it. At my website, I added the German and phonetic spelling as well as English translation of Lieber Anton. I have since found out that Anton learned the song from his friend Sepp Lechner who was born in Treffelstein (Kreis Cham) in the Oberpfalz. Someday, I hope to add audio from a 1978 recording to the website.

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